"Ich liebe Gott aus tiefster Überzeugung"

Ein ausführliches Glaubenszeungis unseres Gemeindemitglieds und Organisten Marcel Blomeier erschien im Katholischen Sonntagsblatt vom 31. Oktober 2021. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion sowie der Fotografin Martina Dach stellen wir den Artikel von Diana Müller auch hier zur Verfügung.

2016 verändert sich Marcel Blomeiers Leben von Grund auf. Wegen einer Blutvergiftung kommt der damals 51-jährige Klavier- und Cembalobauer aus Rammingen bei Ulm ins Krankenhaus – nach einer Operation und Insulinbehandlung verliert er sein Augenlicht. Wie geht ein Mensch damit um, wenn er plötzlich blind ist? Wie soll es jetzt mit dem Familienbetrieb weiterlaufen? Statt mit seinem Schicksal zu hadern, nimmt er es an und erlebt, wie viel tiefer seine Gottesbeziehung durch die Erkrankung wird.

Wenn Marcel Blomeier davon erzählt, wie er sein Augenlicht verloren hat, findet er ungewöhnliche Worte: »Für mich ist das Fügung«, sagt der Mann mit den kurzen grauen Haaren. Jetzt bin ich dort angekommen, wo ich hinwollte – im Glauben, in der Musik und im Begreifen. Wegen einer Sepsis kam er vor einigen Jahren ins Krankenhaus und bekam dort versehentlich zu viel Insulin, das seine Augen unwiederbringlich schädigte. Anfangs konnte er gar nichts mehr sehen, nach einer Operation erkennt er mit dem rechten Auge nun so viel, dass er in seinem vertrauten Umfeld ohne Stock unterwegs sein kann.

»lch spiele Klavier seit ich vier Jahre alt bin«

Wer den 56-Jährigen hier erlebt, würde nie vermuten, dass er nichts sieht – flott läuft er zwischen Wohnzimmer, Küche und Flügel hin und her, ohne sich je anzustoßen. Immer wieder steht er während des Gesprächs auf und lässt seine Finger über die Klaviertasten gleiten gibt eigene Kompositionen und Stücke aus dem Gedächtnis zum Besten. »lch spiele Klavier, seit ich vier Jahre alt bin«, verrät er. lch hatte nicht immer Lust darauf, aber ich musste.« Er schmunzelt.

Klavierbau und Konzertbetreuung

Schließlich liegt die Musik in seiner Familie: Sein Großvater war Klavierbauer und sein Vater gründete 1981 das mittelständische Unternehmen, das Marcel Blomeier heute mit Unterstützung seiner Familie leitet. In seinem Wohnhaus befinden sich eine Werkstatt, ein Lager und ein Verkaufsraum. »Wir bauen und reparieren Klaviere und übernehmen Konzertbetreuungen«, erklärt Marcel Blomeier, der – als seine Augen noch in Ordnung waren – als Außendienstler in ganz Süddeutschland unterwegs war.

Gerne denkt er an die Künstlerbetreuung zurück – an die »unheimlich schönen, »menschlich so tollen« Begegnungen mit Weltklassepianisten, an ihre Vorlieben und Eigenarten.

Kein Wunder, dass Marcel Blomeier auch seine Frau über die Musik kennengelernt hat. »Sie wollte Orgel spielen lernen und meine späteren Schwiegereltern, mit denen meine Eltern befreundet waren, haben mich gefragt, ob ich es ihr zeige«, erinnert sich der langjährige Organist. »AIs ich sie später an der Kirchenorgel beobachtet habe, habe ich mir gedacht, was sie doch für ein schönes Menschenkind ist. Das habe ich ihr auch gesagt«, erzählt er und lächelt.

Seit jenen Tagen sind die beiden ein Paar. Manchmal spielt Marcel Blomeier für seine Frau – »sie ist die sicherere Klavierspielerin« – ein paar sanfte Melodien. Er weiß, wie sehr sie das berührt. Ein Leben ohne Gabriele könnte sich der zweifache Vater nicht vorstellen. »Sie ist mir sehr wichtig«, betont er, und wie sehr er ihre Demut und Barmherzigkeit bewundert: »Rückblickend hätte ich im Leben mehr auf sie hören sollen.«

Gerade in der schweren Zeit nach seinem Krankenhausaufenthalt, als er plötzlich blind war, als seine Augen »höllisch« schmerzten, war sie ihm unverzichtbare Partnerin. »Sie hat mich mitgezogen und angehört, wenn ich geschimpft und gejammert habe. Sie hat mich aufgehoben, wenn ich gefallen bin«, sagt er dankbar. Nach einer Viruserkrankung ist seine Frau selbst auf einem Auge blind und konnte die Lage ihres Mannes gut einschätzen. »lch sprühe wie ein Vulkan – im Ärger und in der Freude. Das ist nicht immer so einfach mit mir«, gesteht Marcel Blomeier.

Erkrankung hat den Glauben verändert

Sein tiefer Glaube und seine enge Beziehung zu Gott wurden ihm in seinem Elternhaus vermittelt. Ein Pater der Salettiner in Ulm hat ihn lange begleitet. Als Organist ist er ständig in der Kirche präsent. »Und doch hat es meine Erkrankung gebraucht, um meiner Gottesbeziehung eine ganz andere Dimension zu geben«, erklärt er.

Früher sei er ständig unterwegs und stets auf dem Sprung gewesen »Zwar war Jesus schon immer tief in meinem Herzen«, erklärt er, »aber ich konnte seine Liebe nicht so zurückgeben. Ich habe ihn oft allein gelassen«, sagt er leise. »Durch meine Krankheit hat er mich zurückgeholt, er hat mich ausgebremst und auf den richtigen Weg geführt. Was bringt uns die ganze Welt dort draußen, fragt sich Marcel Blomeier, »und worauf kommt es im Leben wirklich an? Wenn das Augenlicht schwindet«, fährt er fort, »kann man daran verzweifeln oder nicht. Ich wollte das nicht.« Nachdrücklich schüttelt er den Kopf.

»lch habe mir gesagt, dass das jetzt so sein muss und dass mich das Grübeln nicht weiterbringt«, erklärt der 56-Jährige, dem vor allem das Lesen und das Autofahren fehlen. »Aber ich habe sehr viel Gottvertrauen, die Welt ist schön und ich bin so dankbar, dass ich hier sein darf. Ich liebe Gott aus tiefster Überzeugung und habe in den letzten Jahren gelernt, auch die Menschen um mich herum ganz anders zu lieben. Heute fühle und spüre ich die Dinge viel mehr als früher.«

»Weil Glauben wie Schwimmen ist«

Seine tiefe Verbundenheit mit Gott gibt Marcel Blomeier Kraft: »Über Jesus kommen wir zum Vater – das steckt ganz tief in mir drin.« Jeden Tag setzt er sich aufs Neue mit Gott auseinander. »Glauben ist wie Schwimmen«, so der 56-Jährige, »man muss ins Wasser gehen und schauen, ob es trägt.« Die Hoffnung und Verheißung, dass das, was er auf der Erde erlebt, nicht alles ist, trägt ihn. Auch seine Wanderungen – wenn möglich, läuft er jeden Tag fünf Kilometer und nutzt die Zeit auch, um zu beten – tun ihm unheimlich gut. Würde er im Lotto gewinnen, würde er seiner Heimatgemeinde in Langenau, in der er als Organist im Einsatz ist, eine Orgel bauen. Eine große Bereicherung ist Marcel Blomeier auch der Kontakt mit Monika Schaufler, Seelsorgerin für Menschen mit Sehbehinderungen in der Diözese. Wenn man sich in der Kirche bemerkbar macht und sagt, dass man Hilfe braucht, kommt sie auch«, sagt er und lächelt, »dafür bin ich sehr dankbar.«